Leitbild

Warum „Demenzbetreuung selbstbestimmt“ als professionelle, gerontologische Begleitung in herausfordernden Fällen i.d.R. mehr leisten bzw. erreichen kann als z.B ehrenamtlicher Besuchsdienst oder wie sie sich von 24-Stundenbetreuung unterscheidet: Alle Betreuenden bei “Demenzbetreuung selbstbestimmt” orientieren sich in ihrem Betreuen an Folgendem:

Orientierung

  1. Klient*innenorientiert: Die Klientin/der Klient wird stets als (Mit-)Auftraggeber*in gesehen, selbst wenn diese*r kognitiv stark beeinträchtigt und daher in manchen Belangen vertreten ist. Dies deckt sich mit den Intentionen des Pflegegeldgesetzes sowie der neuen Erwachsenenvertretung. Vorlieben, innere Werte und Persönlichkeit der/des Betreuten werden vordringlich berücksichtigt.
  2. Ressourcenorientiert: „Stärken werden rasch und genau wahrgenommen und gestärkt“, obwohl oder gerade weil es Verluste gibt. Anders gesagt: wir fördern ressourcenorientiert und arbeiten mit Konzentration auf die Fähigkeiten und Möglichkeiten der Betreuten. Wir verhindern so ein übertriebenes Aufreiben daran, um etwas wieder zu erreichen, was nicht mehr geleistet werden kann. Dafür fördern wir Umorientierung und Entwicklung. Wo Defizite ausgeglichen werden müssen, können Hilfsmittel, Technik, Umorganisation, Helferinnen ausgleichen.
  3. Individuell: Eigeninitiative von Klient*innen wird geschätzt und gefördert. Individuelle Lösungen werden gesucht und gefunden: Dies gelingt weil Alters- und Demenzklischees bereits lange und intensiv reflektiert wurden. So wird der Betreuer*innenblick in seiner Suche nach individuellen Vorlieben, Interessen, Fähigkeiten und Einschränkungen der/des zu Betreuenden nicht durch stereotype Erwartungen fehlgelenkt.
  4. Offen: Wir schließen nicht von unserem eigenen Geschmack auf den der Klient*innen. Wir machen Angebote und lernen aus den Reaktionen. Wir können auch mit Menschen mit fortgeschrittener Demenz einen Dialog so gestalten, dass wir feststellen, was die Vorlieben und Bedürfnisse der Klientin/des Klienten sind. Aus all diesen Gründen können wir klient*inneneigene Vorstellungen von Lebensqualität verstehen lernen und diese so bei deren Verwirklichung unterstützen. Wir vertrauen auf die Lernfähigkeit von Menschen mit Demenz. Nur als Beispiel: wenn der Nutzen klar erkennbar/ erlebbar ist und nötigenfalls oft geübt wird integrieren Menschen mit Demenz neues sehr gut in ihr Leben. Wenn BetreuerInnen Menschen mit Demenz umgekehrt Tätigkeiten statt dessen im Zweifelsfall bald „abnehmen“, dann verkümmert der Mensch, resigniert und stirbt mehr und mehr ab. Use it or lose it. 
  5. Wertschätzend und auf Augenhöhe: wir sind seelisch und intellektuell stark und flexibel, um Klient*innen auf Augenhöhe und mit dem passenden intellektuellen Anspruch zu begegnen: nicht unter-, aber auch nicht überfordernd.
  6. Aufmerksam und genau im Wahrnehmen: Wir können rasch und treffsicher einschätzen, in welchen Bereichen welche Fähigkeiten noch vorhanden und aktivierbar sind und wie gravierend umgekehrt Einschränkungen in welchen Bereichen schon sind.
  7. Bedürfnisorientiert: Wir sind fähig, Gefühle und Bedürfnisse erkennen zu können, auch wenn sie sich als Vorwürfe, Beschuldigungen Klagen etc. „verkleiden“.
  8. Sozial- und kommunikativ kompetent: Klient*nnen/Betreute können i.d.R. sowohl kurzfristig als auch mittel- und langfristig psychisch gut stabilisiert und entspannt werden, durch besondere Qualifikationen und viel Erfahrung aus der Arbeit mit Menschen mit Demenz. Oft gibt es aufgrund der Verluste nämlich viel Angst und Anspannung zu bewältigen. Bisweilen kommen in Folge der Demenz „Dämonen aus der Vergangenheit“ wieder ins Bewusstsein. Hier geht es vor allem darum, sich aktivst in Gefühle und Bedürfnisse der Betreuten einfühlen zu können, gerade auch wenn diese NICHT ausgesprochen sind. Echtes Mitfühlen ist eine ungemein wirksame „Therapie“.
  9. Einfühlsam: die EIGENPerspektive von Menschen mit Demenz mitfühlen und kognitiv erfassen können. “In den Schuhen des jeweiligen Menschen mit Demenz gehen”. Viel grundlegender noch in der Kommunikation: Z.B., sich im Tempo, in der Komplexität bzw. Einfachheit des Ausdrucks anpassen können. Sich vor allem auch auf das Verstehen nicht verbaler Kommunikation verstehen.
  10. Belastbar, flexibel und ambiguitätstolerant: Unvorhersagbarkeit, Unplanbarkeit, „Unvernunft“, Redundanzen, kognitive Einschränkung und Verlangsamung tolerieren können, ohne ungeduldig, rechthaberisch herablassend, belehrend, verletzend zu werden – eine Fähigkeit, welche in der Betreuung von Menschen mit Demenz unerlässlich ist.
  11. Lösungsorientiert: Wir suchen engagiertest und hartnäckig sowie vielseitig und offen nach Lösungen für anstehende Probleme. 
  12. Selbstreflektiert und sich laufendend weiterbildend: Selbstkritisch reflektieren wir Schwierigkeiten und sind offen für Innovationen. Auf JEDER Ebene von Wissenschaft, Praxis und Technik versuchen wir, laufend am Ball zu bleiben und suchen nach guten Unterstützungs- und Förderungsmöglichkeiten für Betreuung und Begleitung. Eine oder mehrere gute Ausbildung(en) sind uns wichtig, die laufende  Arbeit an Selbsterkenntnis und Selbststeuerung aber fast noch wichtiger für unsere Qualität als Betreuer*innen.
  13. Resilient: Selbstkritisch, aber konstruktiv und lösungsorientiert reflektieren wir eigene Berufs- und Lebens-, auch Leidens- und Krankheitserfahrungen laufend, um diese für das eigene Lernen, aber auch für die Qualität der laufenden Betreuungsarbeit nutzbar zu machen.
  14. Chancenorientierung: Gewinne in Verlusten zu finden ist eine der wichtigsten Fähigkeiten, die wir für diese Arbeit mitbringen bzw. uns erarbeitet haben und laufend üben. So kann etwa das Schwächerwerden von intellektueller und moralischer Kontrolle der Betreuten dafür genutzt werden, um sich z.B. wieder der Freude am spielenden ästhetischen Gestalten oder an Farben und Formen hinzugeben. Beispiel: Naturerleben mit Ruhe und Genuss, zusammen mit gestalterischen Aktivitäten wie Malen, Modellieren oder Schmuck herstellen.  Ein anderes Beispiel: Wo „davor“ Körperkontakt vom strengen Über-Ich oft verhindert wurde, vermag diese körperliche Nähe „jetzt“ vielleicht erkundet und mitunter genossen werden … (angelehnt an Naomi Feil, die den Nutzen reduzierter Impulskontrolle betont).
  15. „Gerophil“und keine intellektuelle Überheblichkeit: Wir verbringen gerne Zeit mit Älteren sowie mit Menschen mit Einschränkungen und/oder chronischen Erkrankungen: wir lernen von und mit ihnen. wir sehen Alters- und Krankheitsgewinne. Und: Intellekt ist nicht das was die Würde und den Wert des Menschen ausmacht: auf kognitiv einfacher Ebene ist Beziehungs- und Lebensqualität ganz genauso/ anders möglich.